Im
Jahre 2021 beging die Stadt Warendorf den 100.
Geburtstag von Heinrich Windelen mit einem Festakt - das gibt es höchst
selten in unserer Stadt und ist ein schönes Zeichen, dass die Bedeutung
des langjährigen Bundestags-abgeordneter Heinrich Windelens in seiner
Heimatstadt Anerkennung findet.
Aber was hat den Schlesier Heinrich Windelen nach Warendorf
verschlagen und wie kam er in die Politik, denn geboren wurde Windelen am 26.
Juni 1921 in Bolkenhain im schlesischen Riesengebirge, als Sohn des
Lederfabrikanten Engelbert Windelen und seiner Frau Anna. Engelbert
Windelen war ein aktives Mitglied der Zentrumspartei und machte keinen
Hehl aus seiner Abneigung gegen die NSDAP. Das hat auch seinen Sohn
Heinrich geprägt. Dieser sollte später die Lederfabrik übernehmen, darum
studierte er nach seinem Abitur Physik und Chemie in Breslau. Die schöne
Studienzeit wurde aber 1941 abrupt beendet, als Heinrich Windelen in die
Wehrmacht eingezogen wurde. Den grausamen Krieg musste er bis zum
letzten Tag mitmachen und kam 1945 in Bayern in amerikanische
Gefangenschaft. Weil er eine Adresse in Warendorf angeben konnte -
damals noch zur amerikanischen Zone gehörend - und er behauptete,
Student der Landwirtschaft zu sein, wurde er schon im Herbst 1945
entlassen, denn die Landwirtschaft brauchte dringend Erntehelfer!!! In
seine schlesische Heimat hätte er nicht zurückgehen gekonnt, obwohl
seine Eltern dort noch ausharrten. Sie durften erst 1947 Schlesien
verlassen. So schlug sich Heinrich Windelen nach Warendorf durch, wo er
seine Schwestern fand, die im Kolpinghaus mit vielen anderen
Vertriebenen zusammen eine notdürftige Bleibe gefunden hatten. Der Saal
des Kolpinghauses blieb als Versammlungsort erhalten, aber die Empore im
Saal durften die Flüchtlinge als Abstellmöglichkeit nutzen. So bemerkte
eine der Schwestern eines Abends, dass unten im Saal eine Versammlung
stattfand, bei der heftig über die Situation der Flüchtlinge und die
allgemeine politische Lage diskutiert wurde.
Das interessiert doch
unseren Heinrich! Er ging in den Saal und beteiligte sich engagiert an
der Diskussion und man kam schnell zu dem Ergebnis, dass dringend ein
Flüchtlingsbeirat gebildet werden müsse. Nur wer soll dieses schwierige
Themenfeld in die Hand nehmen. „Der, der da eben gesprochen hat, soll
für uns alle sprechen!“ So wurde der 24jährige Heinrich Windelen zum
ersten Vorsitzenden des Flüchtlingsbeirates gewählt, Elisabeth
Schwerbrock wurde seine Stellvertreterin, denn klugerweise war
festgelegt worden, dass immer ein Flüchtling mit einem Einheimischen
zusammenarbeiteten sollte. Es war wahrlich keine leichte Aufgabe, die
diese beiden Engagierten zu bewältigen hatten. In guter Zusammenarbeit
mit dem Flüchtlingsamt der Stadt mussten nun den mittellosen
Flüchtlingen Möbel, Kleidung, Nahrung und vor allem eine Wohnung
beschafft werden. Eine wahre Herkulesaufgabe! Aber Heinrich Windelen war
geprägt durch ein immer aktives und politisch denkendes Elternhaus und
hatte in Elisabeth Schwerbrock eine unermüdliche, energische und
tatkräftige Mitstreiterin. Auch als 1946 die CDU begründet wurde,
standen Heinrich Windelen und Elisabeth Schwerbrock in erster Reihe und
kandidierten 1948 für den ersten demokratisch gewählten Stadtrat, der
damals noch unter der Aufsicht der Besatzungsmacht stand. Beide haben
die Geschicke unserer Stadt wesentlich mitbestimmten, Elisabeth
Schwerbrock bis 1956 und Heinrich Windelen bis 1964.
Windelen gab schon 1947 der politisch interessierten Jugend
durch die Gründung der „Jungen Union“ eine neue politische Heimat und im
selben Jahr wurde er in den Kreistag gewählt. Auch hier konnte er sich
für die Heimatver-triebenen einsetzen, denn die standen buchstäblich vor
dem Nichts und waren in Warendorf gestrandet nur mit den Kleidern auf
dem Leib und ein paar Habseligkeiten in einem Handköfferchen. Ihre
geretteten Wertsachen waren ihnen fast immer auf der Flucht geraubt
worden. Aber die Flüchtlinge konnten arbeiten, waren vielfach tüchtige
Handwerker oder Textilfachleute, denn Schlesien war für seine
leistungsfähige Textilindustrie bekannt. So wurden sie auch in Warendorf
schnell eine Bereicherung für Handwerk und Gewerbe.
Maßgeblich beteiligt war Heinrich Windelen an der Förderung der
Errichtung von Eigenheimen, die damals immer einen großen Garten hatten,
wo Obst und Gemüse angebaut und ein Schwein fett gefüttert werden
konnte.
Windelen hat sich aber nie verbiegen lassen, ja, er leistete
sich den Luxus einer eigenen Meinung. So verweigerte er der Regierung
Kohl 1990 seine Zustimmung zur Festlegung der Oder-Neiße-Linie als
Deutsche Ostgrenze. Seine Erfahrun-gen von Diktatur, Krieg und
Vertreibung hatten seine Überzeugung geprägt, dass die Deutschen
Ostgebiete nicht aufgegeben werden dürfen. 1990, im Jahr der Deutschen
Einheit beendete Heinrich Windelen seine politische Karriere im
deutschen Bundestag in Bonn. Für die Einheit seines Vaterlandes hatte er
all die Jahre gekämpft und das Bewusstsein für dieses zentrale Thema
wachgehalten. Dass er die Wiedervereinigung noch miterleben würde - das
hatte auch er nicht zu hoffen gewagt. Mit Heinrich Windelen verlor die
CDU-Bundestagsfraktion aber auch ihren führenden Haushaltspolitiker. Er
hat in seiner politischen Zeit viele hohe Partei- und Fraktionsämter
ausgefüllt und sich insbesondere um die Führung der CDU in Nordrhein
Westfalen verdient gemacht.
Bürgermeister Kluck empfängt eine Delegation aus
Bonn mit Heinrich Windelen
Als er 1990 im Alter von 69 Jahren auf eine erneute Kandidatur für
den Deutschen Bundestag verzichtete, engagierte sich als deutscher
Co-Vorsitzender der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit für
die Aussöhnung mit dem polnischen Nachbarn. Bis ins hohe Alter blieb er
ein aufmerksamer Beobachter der deutschen und der europäischen Politik
und meldete sich in Interviews und Leserbriefen zu Wort.
Rückblickend auf ein halbes Jahrhundert politischer Arbeit
sagte Heinrich Windelen am Ende seines Lebens: „Als ich anfing hatten
wir nichts, kein Geld, keine Gesetze und viele Probleme. Die Situation
heute ist umgedreht: Früher hatten wir Notstandsprobleme, heute haben
wir Wohlstandsprobleme.“
Heinrich Windelen hat seiner Wahlheimatstadt Warendorf immer
die Treue gehalten. Hier wohnte er gerne, hier hatte er 1954 Ingeborg
Kreutzer geheiratet, hier waren seine vier Kinder aufgewachsen, hier
hatte er seine Freunde und viele politische Wegbegleiter. Hier hat er im
Wahlkampf sich immer auf seine treuen Helfer verlassen können,
insbesondere auf die Junge Union, die ihren „Heini Pampers“, wie sie ihn
jugendgemäß despektierlich, aber liebevoll nannten, zu allen
Wahlkampfeinsetzen begleiteten.
Heinrich Windelens Engagement wurde vielfach geehrt. 1986, an seinem 65. Geburtstag, verlieh ihm Bundeskanzler Helmut Kohl im Palais Schaumburg das große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband – eine solch hohe Ehrung hatte es vorher noch nicht gegeben. Schon 1983 hatte er das Große Goldene Ehrenzeichen mit Stern der Republik Österreich überreicht bekommen. 1991 ernannte die Stadt Warendorf ihn zum Ehrenbürger, nicht zuletzt wegen seines bedeutsamen Engagements für die Stadt – ohne ihn hätte es die Ansiedlung der Bundeswehrsportschule, des DOKR und des Modernen Fünfkampfs in Warendorf.
Am 16. Februar 2016 verstarb Heinrich Windelen im gesegneten
Alter von 93 Jahren in seinem Alterswohnsitz im Koster zum Hl. Kreuz in
Freckenhorst. In seiner Gedenkrede in der Laurentiuskirche würdigte der
Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert den ehemaligen
CDU-Abgeordneten und Vize-Präsidenten des Deutschen Bundestages Dr. h.c.
Heinrich Windelen als „Parlamentarier aus Leidenschaft“. „Wir sind
Heinrich Windelen dankbar für alles, was er für den Aufbau einer
stabilen parlamentarischen Demokratie in unserem Lande über viele Jahre
hinweg geleistet hat. Heinrich Windelen war ein pflichtbewusster
Politiker, der die anstehenden Probleme gründlich analysierte und mit
preußischer Genauigkeit verfolgte. Er schielte nicht nach dem Erfolg der
Welt, er hängte auch nicht sein Mäntelchen in den Wind und scheute sich
nicht, Unpopuläres auszusprechen. Er war immer ein eher nüchterner, auf
Ausgleich bedachter Politiker.“
Zu seinem 100. Geburtstag am 25.6.2021 lud der neue
Bürgermeister Peter Horstmann zu einer Feierstunde in den Sophiensaal
ein. Seine Familie, ehemalige Weggefährten, Vertreter aus
der Politik und dem Rat der Stadt Warendorf erlebten einen
beeindruckenden Rückblick auf das Leben des bedeutenden Politiker
Heinrich Windelen.
Quellen:
Elke Seul: Biete Klo – suche Geige 1985
Geschichte der Stadt Warendorf 2000
Dr. Norbert Lammer: Gedenkrede in der Laurentiuskirche 2016
Presseberichte aus der Glocke und den Westfälischen Nachrichten
Text: Mechtild Wolff
Johanna
Brinkhaus
Hermann Josef
Brinkhaus
Laurenz Schmedding
Franz Strumann
Wilhelm
Veltmann
Familie
Miele
Familie
Dr. Kaloff
Familie Hanewinkel
Die sogenannten
"Paters-Gräber"
Heinrich
Friederichs
Bürgermeisters Diederich
Familie Hagedorn
Familie Bispinck
Familie
Kottrup Westhoff
Heinrich
Windelen