1888 Briefkopf der Firma Wiemann und Bispinck
1879
kam der kapitalkräftige Christoph Bispinck (Bild links)aus Münster nach Warendorf,
um mit seinem Verwandten Eduard Wiemann die Weberei „Brinkhaus und
Wiemann“ weiter zu führen. Diese Firma hatte Wiemann mit seinem
Compagnon Hermann Josef Brinkhaus 1861 gegründet, jetzt aber hatten sich
die Partner getrennt. Die
neue Firma „Wiemann & Bispinck“ produzierte in den alten Gebäuden an der
Kirchstraße, die bis heute erhalten sind. Die gemeinsame Firma gedieh
prächtig und weitete ihre Produktpallette auf über 50 Gewebearten aus.
Als Eduard Wiemann 1898 starb, hatte Christoph Bispinck schon die
alleinige Geschäftsführung inne und verlegte die vergrößerte Firma
„Wiemann und Bispinck“ an die Brinkstraße. 80 Mitarbeiter produzierten
hier bis 1966 Baumwollstoffe aller Art.
Schnell wurde Christoph Bispinck zu einem angesehenen Warendorfer Bürger und die Mitarbeiter waren froh, dass durch sein Engagement in der Firma „Wiemann und Bispinck“ viele Arbeitsplätze entstanden.
Bild links: Villa Bispinck an der Münsterstraße, heute abgerissen; Bild
rechts: Altenteil der Familie Bispinck
Christoph und Elisabeth
Bispinck bauten 1887 an der Münsterstraße eine prächtige Villa, die mit
eleganten Stuckdecken und repräsentativen Räumlichkeiten ausgestattet
wurde. Hier lebte die Familie Bispinck mit ihren vier Kindern. Als
Christoph 1924 und Elisabeth 1926 starben, ging die Firma und auch die
Villa in den Besitz
des einzigen Sohnes Hermann über. Er wohnte in der Villa mit seiner Frau
Sophie und seinen Kindern Doris, Carla und einem Sohn bis zu beider Tod
1964. Die Nachkommen hatten kein Interesse an dem repräsentativen
Fabrikantenwohnhaus, die Sparkasse wollte aber gern an diesem
attraktiven Innenstadtstandort eine neue Hauptstelle errichten. Also
wurde die Villa 1967 abgerissen und durch ein modernes Sparkassengebäude
in Betonarchitektur ersetzt. Die Münsterstraße bekam ein ganz neues
Gesicht.
Erhalten blieb das Nachbarhaus Münsterstraße 19. 1903 hatte
Christoph Bispinck es neben seiner Villa als Altenwohnsitz erbaut.
Dieses rote Backsteinhaus im Stil des Historismus war zwar nicht so
prächtig wie das Fabrikantenwohnhaus, aber doch mit schönen
Jugendstilfenstern, einem eleganten Treppenhaus und wunderschön bemalten
Stuck-decken ausgestattet. In den 1960er Jahren entsprach der Jugendstil
aber nicht dem Zeitgeist und die Stuckdecken wurden eher in die Ecke
„Kitsch“ gestellt und darum mit einer Rigips-Decke abgehängt. Das war
dann langfristig ein Glücks-fall, denn so blieben die kunstvoll
gestalteten Decken unbeschadet erhalten. Es war auch ein Glücksfall,
dass die unverheiratete Tochter Therese dieses Haus erbte und darin gut
und gerne lebte. Sie widerstand den sehr lukrativen Angeboten der
Sparkasse und sagte damals: „Ich verlasse dieses Haus nur mit den Füßen
voraus!“ So verging die Zeit und der Zeitgeist änderte sich. Als „Tante
Threschen“, wie sie liebevoll von den Warendorfern genannt wurde, 1982
im gesegneten Alter von 88 Jahren starb, war auch der Historismus
denkmalwürdig geworden und man wusste die Schönheit des Hauses mit dem
unverändert erhaltenen Raumgefüge, mit den ursprünglichen Rahmentüren,
den Jugendstilfenstern und dem kunstvoll gestalteten Treppen-haus zu
schätzen. Bei der Restaurierung des Gebäudes wurden unter abgehängten
Decken wunderschöne Decken-Stuckornamente freigelegt, die nach
Farbbefunden wieder in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt wurden.
Heute zeigt dieses Haus sehr anschaulich, wie man als Textilfabrikant
auch auf dem Altenteil repräsentativ wohnte. Das „Fabrikantenwohnhaus
Bispinck“ ist jetzt ein Teil des Dezentralen Stadtmuseums, denn es gibt
in Warendorf kein zweites Gebäude aus der Zeit des Historismus, das auch
im Inneren noch originalgetreu erhalten ist.
Auf
dem Warendorfer Friedhof findet sich im südlichen Teil die Familiengruft
der Fabrikantenfamilie Bispinck - ein Stück Warendorfer
Textilgeschichte.
Mechtild Wolff 2021