Kruse als Spezialgeschäft für Porzellanwaren, das Musikgeschäft Rottwinkel, Niederschmidt und Maimann als Anbieter von Schmuck, das Kaufhaus Meyer - einst der Stolz der Warendorfer Innenstadt, das Cafe Schütte, demnächst das Bekleidunggeschäft Finke - die Liste der Geschäftsschließungen im letzten und diesen Jahr ist lang. Was tritt an die Stelle der eingesessenen Warendorfer Einzelhändler? Das sind auf der einen Seite Gastronomiebetriebe der verschiedensten Art, auf der anderen Seite siedeln sich mehr und mehr Filialketten in der Innenstadt an. So befindet sich jetzt im ehemaligen Kruse-Haus ein Restaurant. In das Cafe von Schütte wird sich nach jüngsten Informationen ein Eiscafe niederlassen. Im ehemaligen Geschäft von Rottwinkel befindet sich jetzt in viel günstigerer Lage als vorher eine Niederlassung einer Kette für Bekleidung. Des weiteren haben sich in jüngerer Vergangenheit in der Münsterstraße eine Niederlassung einer Kette für Buchwaren sowie eine Kette für Brillen niedergelassen. An der B64 - Ortsausgang nach Münster - hingegen siedeln sich große Lebensmittel-, Bau- und Drogeriemärkte an.
Dieser Strukturwandel hin zu Gastromiebetrieben und Niederlassungen verschiedener großer Ketten besonders in der Innenstadt vollzieht sich allmählich und wird den meisten Warendorfern daher nicht in vollem Ausmaß bewußt. Ein größerer Teil der eingesessenen Geschäftsinhaber der Innenstadt, der Mitglieder des Heimatvereins und der Altstadtfreunde sieht diese Entwicklung hingegen eher skeptisch.
Tatsache ist, dass die Altstadt Warendorfs mit ihrer historischen Bausubstanz und Struktur (im 2. Weltkrieg wurde kein Haus zerstört) heute ein sehr attraktives Ambiente bietet. Die zahlreichen Touristen aus Nah und Fern sprechen hier eine eindeutige Sprache. Auch die Warendorfer selbst gehen ausgesprochen gerne in die Altstadt, zum Bummeln, um Freunde zu treffen oder einfach um etwas auszuspannen. Für diese Zielgruppen ist ein gutes Angebot in der Gastronomie bedeutend.
Und wie sieht es mit dem Einkaufen aus? Diese zentralörtliche Funktion wird zunehmend schlechter bedient, besonders für die Güter des täglichen Bedarfs. Es gibt zwar noch ein Fleischerfachgeschäft, ein Feinkostgeschäft und einen Lebensmittelhandel in der Innenstadt, aber das Angebot in diesem Segment ist deutlich schwächer geworden und hat eher noch die Tendenz, sich weiter zu verringern. Gerade diese Sparte des Einzelhandels aber bringt viele Menschen in die Stadt. In der Folge wird die Innenstadt weniger frequentiert, was wiederum negative Folgen für die verbliebenen Geschäfte hat.
Ursache für diese Entwicklung sind eindeutig die Märkte vor der
Stadt, die mit großen Parkplätzen ihren Kunden einen bequemen Einkauf
versprechen. Sogar in den umliegenden Dörfern mit ihren für junge
Familien attraktiven Baugebieten bilden sich solche Einkaufszentren. Gut
zu beobachten ist dieses zum Beispiel in Beelen.
Auch diese Kunden fehlen in Warendorf.
Für höherwertige Güter wie Bekleidung, Schmuck, Sport, für Bücher und Papier, Medikamente u. ä. sind ausreichend Geschäfte in der Altstadt vorhanden, problematisch ist dabei nur, dass diese nicht die "Laufkundschaft" erzeugen wie zum Beispiel Lebensmittelgeschäfte.
Schließlich existiert noch das Problem der Ketten bzw. Franchise-Unternehmen, die mehr und mehr den alteingesessenen Einzelhändlern Konkurrenz machen. Zu nennen wäre hier für die Innenstadt der Bereich Drogerieartikel, Brillen, Bücher. Dadurch entsteht ein extremer Kostendruck in diesem Sektor, der viele Geschäfte nicht mehr rentabel sein läßt.
Insgesamt zeichnet sich also ein Trend zu einer verstärkten gastronomischen und touristischen Nutzung der Innenstadt und zu Geschäften für die Deckung des gehobenen und besonderen Bedarfs.
Diese Entwicklungen waren und sind die logische Konsequenz des Verhaltens und der Bedürfnisse der Menschen einer Stadt. Diese wollen mit dem Auto bequem und günstig einkaufen, schön im Grünen wohnen usw. Entsprechend wurde die Stadtentwicklung geplant. Die Folge ist eine abnehmende Frequentierung der Innenstadt, die in manchen Städten sogar dazu geführt hat, dass die Ladenlokale ganzer Straßenzeilen leerstehen. Welche Folge das für die soziale Struktur solcher Stadtviertel hat, ist nicht schwer vorauszusagen.
Schon in den 80er Jahren warnten Vereine und Verbände wie der Heimatverein in Warendorf und die Altstadtfreunde vor den Gefahren dieser Entwicklung und wurden durch Eigeninitiative auch erfolgreich initiativ.
Eine einfache Lösung dieser Probleme gibt es nicht. Die Innenstadt muß wieder ein attraktives Wohnumfeld bieten, damit die Menschen hier gerne wohnen und ihr Leben gestalten können. Dazu gehören neben attraktivem Wohnraum auch Gärten, Spielplätze und Parks im nahen Umfeld. Hier hat Warendorf einiges zu bieten, wenn man die vielen, liebevoll restaurierten Häuser der Altstadt mit ihren schönen Gärten betrachtet. Auch der innenstadtnahe Emseepark als Naherholungsgebiet ist außerordentlich attraktiv. Aber ebenso ist eine gute Infrastruktur unumgänglich. Parkraum für die Autos, Geschäfte zur Deckung des täglichen Bedarfs usw. Ansonsten produzieren die Probleme sich selbst: Fehlt die Infrastruktur, wird das Wohnumfeld unattraktiv. Ist dieses unattraktiv, wohnen hier weniger Menschen. Wenn weniger Menschen dort wohnen, sind Investitionen in die Infrastruktur nicht rentabel...
Nur langfristige, gut überlegte Planungsstrukturen, an denen alle Interessengruppen der Stadt beteiligt sind, können die Lösung sein. Schnelle Erfolge, die gegen diesen Trend wirken, sind nicht erzielen. Die Stadt ist für die Menschen da, nicht die Menschen für die Stadt. Warendorf hat einiges zu bieten, muss sich jedoch in seiner Stellung als Mittelzentrum besser positionieren. Kostenlose Parkplätze in der Weihnachtszeit sind sicher ein schönes Angebot, reichen aber nicht aus, einen Trend zu stoppen.