Gelände: 4389 Quadratmeter
Überbaubar: 2413 Quadratmeter, dreigeschossig
An der Chaussee nach Münster, heute B 64, wurde 1872 der Bürgerhof
gebaut. Damals hieß er noch Schützenhof, denn die Bürgerschützen hatten
ihn zum Feiern des Schützenfestes errichtet. Sie brachten 6000 Taler
dafür auf und leisteten tätige Mithilfe, ein steinernes Zeugnis von
Bürgersinn und Tatkraft des Bürgerschützenvereins.
Ihr besonderer Stolz war der Schützenhof-Park. Für die erste Anlage
brachten die Schützenbrüder Sträucher und Bäumchen aus ihrem Garten mit,
bis dann 1895 der Schützenpark neu gestaltet wurde und die Bäume
gepflanzt wurden, die heute den schönen kleinen Park am Bürgerhof
ausmachen.
Die Halle entlang der Chaussee wurde 1913 errichtet.
Hier im Schützenhof und im Schützenpark wurde über 100 Jahre lang das
jährliche Bürgerschützenfest gefeiert und viele Betriebsfeste und
fröhliche Tanzveranstaltungen
.
1954 Betriebsfest der Firma Kreimer
Als i 1970 Jahren die notwendige Sanierung der Halle die Finanzen des
Bürgerschützenvereins überforderten, verkaufte der Verein den Bürgerhof
an den Möbelkreis und wanderte mit dem Schützenfest 1983 in ein Festzelt
im Emspark.
Die Veranstaltungshalle und die Gastwirtschaft wurden weiter betrieben.
Viele Großveranstaltungen fanden statt.
1994 verkaufte der Möbelkreis den Bürgerhof an die
Bürgerhof Warendorf GmbH ( Herr Refradt und Herr Runde). Ziel war es
damals, den Bürgern eine repräsentative Veranstaltungshalle mit
Restauration zur Verfügung zu stellen. Die Käufer beabsichtigten,
baldmöglichst ein Hotel anzugliedern. Der Gesamtkomplex sollte ein
überregionaler Anziehungspunkt werden.
Die Umbaukosten für die Halle und die Sanierung des Restaurants, sowie
die laufende Unterhaltung musste komplett vom neuen Besitzer geleisten
werden.
Da es aber unmöglich ist, eine öffentliche Veranstaltungshalle
kostendeckend zu betreiben, bekamen die Erwerber einen
Investitionszuschuss von 3 Mio DM von der Stadt, verteilt auf 10 Jahre
( 25 000 DM, später 12 500 € pro Monat). Bedingung: Der Saal musste für
Veranstaltungen zur Verfügung stehen. Die Stadt hatte ein Belegungsrecht
für 10 unentgeldliche Veranstaltungen pro Jahr. Dieses
Public-Privat-Partnership sollte die Belastungen für die Stadt möglichst
gering halten.
Als Kosten-Vergleich wurde immer die Stadthalle Ahlen angeführt, deren
Bau 8 Mio. DM gekostet hatte und jährliche Betriebskosten von 1,5
Mio. DM verursachte. Das konnte und wollte die Stadt Warendorf sich
nicht leisten.
Der Bürgerhof aber bleibt ein Sorgenkind. Die Bürgerhof GmbH hatte
permanente Geldprobleme, der innovative Eigentümer kam mit dem Gesetz in
Konflikt und landete im Gefängnis, was zur Folge hatte, dass das
Management zu wünschen übrig ließ. Die Politik tat das Ihre dazu, indem
die Parteien, die nicht hinter dem Bürgerhof-Konzept standen, keine
Gelegenheit ausließen, den Bürgerhof mit „Pleiten, Pech und Pannen“ zu
charakterisieren. Bei jeder Haushaltsplan-Beratung führte der jährliche
Zuschuss von 125 000 € zu endlosen Diskussionen.
Trotzdem gab es bis 2004 eine Vielzahl von Veranstaltungen:
Silvesterbälle, Karnevalsveranstaltungen, Diskos für Jugendliche,
Neujahrskonzerte und viele andere Konzerte, Violinwettbewerbe,
Abi-Bälle, Antikmärkte, Reichenbacher Treffen, Tagungen der Reiter, der
Versicherungen und Banken, Jäger und der Bauern, Firmenveranstaltungen,
Tanz-Wettbewerbe, Reptilienschauen und in den letzten Jahren viele
türkische, russische, tamilische, afghanische Hochzeiten und
Familienfeste.
Das gesetzte Ziel, durch die Stadthalle ein pulsierendes Kulturleben mit
großen Veranstaltungen von überregionaler Bedeutung nach Warendorf zu
holen, wurde aber nicht erreicht.
Februar 2000
Die Bürgerhof Warendorf GmbH meldet Insolvenz an. Der Pächter Avalon
betreibt die Feierhalle trotzdem weiter.
Die Nord-LB als Hauptgläubiger sucht nun einen Käufer, was sich sehr
schwierig gestaltet. Auch drei Versteigerungstermine führen nicht zum
Erfolg, obwohl es sehr viele Interessenten gibt. Der Bank sind die
gebotenen 371 034,15 € incl. Grundschuld zu wenig.
Dezember 2004
Der letzte städtische Zuschuss wird gezahlt.
Die Stadt hat unverändert ein hohes Interesse daran, dass der Bürgerhof
auch weiterhin als Stadthalle geführt wird, um auch in den nächsten 20
Jahren den Bürgern für Veranstaltungen und Tagungen zur Verfügung zu
stehen. Grundbuchlich ist eine Zweckbindung als Verstaltungshalle für 30
Jahre (ab 1994) festgelegt.
Dezember 2004
Richard Henschen unterbreitet der Nord-LB ein Angebot zum Kauf des
Bürgerhofs. „Der Bürgerhof darf kein Spekulationsobjekt werden!
Warendorf und sein Umfeld soll zum Tagungsort werden. Der Bürgerhof soll
zu einer ausgewiesenen Tagungsstätte mit qualifizierter Gastronomie
umgebaut werden, denn die 40 000 Mitglieder des Verbandes der
Versicherungsvertreter haben einen hohen Tagungsbedarf.“, so berichtet
die Glocke am 3.12.2004.
2005 Richard Henschen erwirbt den Bürgerhof für 400 000€.
Er „will es nicht für sich, sondern für die Gemeinschaft tun!“
2006 wird der Bürgerhof als Congresszentrum neu eröffnet. In der
Eröffnungseinladung der CC Bürgerhof GmbH wird ein 630 Quadratmeter
großer Saal mit einer 8 mal 5 Meter großen Bühne angepriesen.
(Geschäftsführer Richard Henschen, Unterzeichner C. Pomberg)
Renovierungsarbeiten waren in Angriff genommen worden und einige schöne
Veranstaltungen fanden in der recht ansehnlichen Halle statt.
Dann änderte der Besitzer aber seine Prioritäten, die Saalmiete wurde
unerschwinglich hoch und jeder Kratzer auf dem Fußboden und jede
zerbrochene Scheibe erzeugte unerfreuliche Diskussionen. Veranstaltungen
kamen nicht mehr zu Stande, sogar die Karnevalisten zogen mit ihren
jährlichen Festen in eine Tennishalle. Eine Restauration gab es auch
nicht mehr. Der Bürgerhof war tot.
2009: Richard Henschen erwirkt mit seiner Schadenersatzklage,
in der er die Rechtmäßigkeit der Zweckbestimmung als Veranstaltungshalle
beim OLG Hamm anzweifelt, dass der Rat am 24.6.2009 dem angebotenen
Vergleich mehrheitlich zustimmt (24 ja, 17 nein). Gegen eine Zahlung von
50 000 € wird die Zweckbindung Veranstaltungshalle aus dem Grundbuch
gestrichen. Nun muss der Besitzer dieser Immobilie keine
Veranstaltungshalle mehr vorhalten, Warendorf hat seine Bürgerhalle
aufgegeben!!!
Noch 2005 beim Verkauf des Bürgerhofs hatte Bürgermeister Walter gesagt,
dass der Verzicht auf die im Grundbuch abgesicherten Rechte für ihn
nicht verhandelbar sei. Wie schnell sich die Einstellung ändern kann,
wenn Rat und Verwaltung unter Druck gesetzt werden!
Okt. 2009 will Herr Henschen eine Spielhalle einrichten,
bekommt keine Genehmigung von der Stadt.
Febr. 2010 neuer Versuch: Ein Casino und ein FKK Sauna Club sollen
etabliert werden. Die Dr. Starke Vermögens- und Verwaltungs GmbH
Dortmund hatte sogar der Stadt 150 000€ Bestechungsgeld angeboten.
Einziges Ziel: gute Rendite. Der Rat stimmt nicht zu.
2011: Richard Henschen verkauft das Bürgerhofareal für 700 000€
an das Unternehmen Klass und Kock in Gronau, allerdings mit
Rücktrittsrecht, wenn die vorgesehene Planung nicht genehmigt wird.
Der Rat der Stadt WAF bringt am 14.7.2011 mehrheitlich mit 43 Ja, 6 Nein
( 5 Grün, 1 SPD) und 1 Enthaltung (SPD) den Aufstellungsbeschluss zur
Änderung des Bebauungsplans ins Verfahren. Damit soll Planrecht
geschaffen werden, dass die Firma K+K den Bürgerhof abreißen darf und 15
alte Bäume, die hinter dem Bürgerhof auf dem Parkplatz stehen, fällen
kann.
Warum?
2008 wurde für Warendorf ein Einzelhandelskonzept erarbeitet, das die
Stadt WAF 43 000€ Steuergelder gekostet hat, außerdem viele
Arbeitsstunden von Verwaltung und Politik.
Das Einzelhandelskonzept soll für die lokalen und regionalen
Entscheidungsträger eine objektive Entscheidungsgrundlage bei
Ansiedlungsvorhaben und Projektentwicklungen sein.
Es ist ein Leitbild für die Einzelhandelsentwicklung in Warendorf, das
von der Bezirksregierung genehmigt wurde.
Das Einzelhandelskonzept schreibt genau vor, was im Sondergebiet
Bürgerhof angesiedelt werden darf:
Großflächiger Einzelhandel ist hier nicht erlaubt, nur bis max. 800
Quadratmeter Verkaufsfläche.
Hier angesiedelter Einzelhandel darf sich nicht schädlich auswirken auf
den innerstädtischen Einzelhandel, innenstadtrelevante Produkte dürfen
nur sehr eingeschränkt angeboten werden.
Nach nur 3 Jahren sollen für den Bau des K&K Marktes diese
Regeln missachtet werden und Ausnahmen genehmigt werden.
Der neue K+K am Bürgerhof soll 1420 Quadratmeter Verkaufsfläche
bekommen.
Dafür wird der K+K am Affhüppen Esch mit 1840 Quadratmeter und der am
Bürgerhof mit 670 Quadratmeter aufgegeben. Es werden also weniger
Lebensmittel-Quadratmeter beansprucht.
Daraus ergibt sich aber kein Anspruch auf eine Verkaufsfläche von 1420,
denn im Sondergebiet Bürgerhof sind max. 800 Quadratmeter erlaubt.
Es gibt überhaupt keinen zwingenden Grund, hier eine Ausnahme zu
genehmigen, denn wir haben in Warendorf wahrlich keinen
Notstand an Lebensmittelmärkten. Direkt gegenüber liegt der Marktkauf,
ein sehr großflächiger Vollversorger mit überregionaler Bedeutung. Jetzt
gerade gab das Kaufhaus Meyer in der Innenstadt seine Schließung
bekannt. Ein Grund war auch die starke Konkurrenz des Marktkaufs. Warum
soll dann jetzt durch einen neuen großen Vollversorger der Innenstadt
noch mehr das Wasser abgegraben werden? Neue Arbeitsplätze entstehen
auch nicht, denn es handelt sich hier nur um einen
Verdrängungswettbewerb.
Wo liegt der Vorteil für die Stadt Warendorf, so viele
Ausnahmetatbestände zu schaffen? Darf man so mit Steuergeldern umgehen?
Ein weiterer Stein des Anstoßes ist der Abriss des historischen
Bürgerhofs.
Schon jetzt ist der westliche Ortseingang kein städtbauliches
Schmuckstück. Gewerbliche Zweckbauten bestimmen den ersten Eindruck, den
der Autofahrer von unserer Stadt bekommt. Nichts, was uns von anderen
Städten unterscheidet, außer dem 1872 erbauten Gebäude des
Bürgerschützenhofs, der in den 1950er Jahren leicht überformt wurde.
Diese Gebäude soll nun abgerissen werden und durch einen 08/15 K+K
Flachdach-Bau ersetzt werden.
Die Stadt müsste doch ein hohes Interesse daran haben, das historische
Gebäude zu erhalten, es aufzuwerten und einer neuen Nutzung zuzuführen.
Völlig unverständlich ist es, dass für 15 sehr alte Bäume
hinter dem Gebäude eine Genehmigung zum Fällen gegeben werden soll. Viel
Geld wird auch in Warendorf für Umwelt- und Klimaschutz ausgegeben.
Diese Bäume an der viel befahrenen B 64 sind hochwichtig für das
Kleinklima dieses Wohnbezirks und bilden einen in über 100 Jahren
gewachsenen natürlichen Feinstaubfilter, der durch nichts zu ersetzen
ist. Ausgleichsmaßnahmen in der Landschaft sind überhaupt kein Ersatz,
wir brauchen das Grün in der Stadt. Genau für diese Situation wurde die
Baumschutzsatzung erlassen, um eine Handhabe zum Erhalt alter Bäume zu
haben, auch wenn es nicht für alle bequem ist.
All das soll geopfert werden, um einen Markt zu ermöglichen, den wir
nicht brauchen.
Der Bürger hat den Eindruck, dass die Politiker dieses wahrlich
schwierige und oft unerfreuliche Thema Bürgerhof jetzt schnell beenden
wollen, koste es, was es wolle.
Ist Warendorf damit gedient?
Nur durch ein historisches Gebäude können wir am Ortseingang ein
Alleinstellungsmerkmal erreichen.
Durch einen Supermarkt am Ortseingang werden wir beliebig, Warendorf
sieht dann aus, wie jede andere Stadt auch.
Mechtild Wolff
August 2011
Gesamtanlage Bürgerhof
Pressebild „Die Glocke“ 2005