Firma „Brinkhaus und Wiemann“ (1847-1879)
von Mechtild Wolff

Als Hermann Josef Brinkhaus 1843 nach Warendorf kam, begründete er im Haus des ehemaligen Leinenhändlers Zacharias Herdinck neben dem Mühlenhof/Ecke Emsstraße ein Detail-Geschäft, also einen normalen Textileinzelhandel mit Haushaltswaren und Porzellan. Gleichzeitig betrieb er dort einen Verlag für Leinen, Drell und Bett-barchent. Das konnte aber nur ein Anfang sein. Durch seine Aus-bildung in Barmen und seine Tätigkeit bei seinem Bruder in Borghorst war ihm schon klar geworden, dass die Handweberei dem Ende zuging und die Zukunft in der mechanisierten Weberei bestand. Und diese Zukunft wollte er mitgestalten.

Dafür brauchte er Geld, mehr Geld, als er selbst besaß. Glücklicher-weise konnte er seinen finanzstarken Jugendfreund, den Textilkauf-mann Eduard Wiemann (1817-1898) für seine Idee begeistern. 1847 gründeten beide die Firma „Brinkhaus & Wiemann“. Damit war ein Anfang gemacht. 1849 gab Hermann Josef Brinkhaus sein Detailgeschäft auf und verkaufte die Restbestände zur Freude der Warendorfer Bevölkerung recht günstig. Nun konzentrierte er sich ganz auf seine Tätigkeit als Textil-Verleger. Sein Lagerhaus hatte er an der Klosterstraße 7. 1855 wurde der nächste Schritt getan, Brinkhaus und Wiemann kauften das alte Waisenhaus an der Kirchstraße 6 von der Stadt für 2.010 Taler. Dort begründeten sie eine Faktorei auf eigene Rechnung. In einer Faktorei wurden in großen Arbeitsräumen Handweber im Lohn beschäftigt. Diese bekam-en ihren Arbeitslohn ausbezahlt, wenn sie ein Webstück fertig hatten. Die Höhe des Lohnes richtete sich nach der Qualität des Stückes. Das war der Beginn der industriellen Fertigung, alles aber noch auf der Basis der Leinen-Handweberei. Parallel dazu gab es auch weiterhin die Hausweber, die ihre Leinenballen an die Verleger verkauften.

Brinkhaus und Wiemann aber war klar, dass die Zeit des Leinens vorbei war. Die Baumwollweberei war das Projekt der Zukunft. Baum-wollstoffe waren leichter und geschmeidiger und vor allem mit bunten Baumwollstoffen ließen sich bessere Preise erzielen.

Für den Umgang mit Baumwolle mussten die Warendorfer Weber geschult werden. Brinkhaus und Wiemann richteten 1855 mit Unterstützung der Stadt im Haus Kirchstraße 6 eine eigene Web-schule ein, um die Leineweber mit der Baumwollweberei vertraut zu machen. Weiterbildungswillige Weber und schulentlassene Knaben wurden hier von erfahrenen Webmeistern in die Geheimnisse der Buntweberei eingeführt. Die Schule war kostenfrei und das Unter-nehmen ließ den Teilnehmern eine finanzielle Unterstützung zu-kommen. Hier wurde eine Vielzahl von tüchtigen Webern auf die neuen Zeiten vorbereitet.

1857 entstand in Rheine mit der Firma C. Kümpers & Timmermann die erste mechanische Weberei. Jetzt musste auch in Warendorf gehandelt werden. Am 18. October 1858 wurde der Warendorfer Bevölkerung im Wochenblatt zur Kenntnis gebracht, dass die Fabrikanten Brinkhaus und Wiemann beabsichtigen, in der Kirchstraße eine Dampfmaschine aufzustellen, um eine mecha-nische Weberei mit Stück-färberei und Appretur-Anstalt einzurichten. Die Einsprüche der Bevölkerung kamen zu Hauf und lösten einen ausgedehnten Papierkrieg aus. Dieses neuartige Vorhaben löste z.B. bei dem benachbarten Tabakfabrikanten Schmitz sehr große Angst vor dem „dampfenden Ungeheuer“ aus und der Bleicher Preckel machte sich Sorgen um seine Bleichwiesen an der Ems. Hermann Josef Brinkhaus trat all diesen Bedenken mit großer Gewandtheit und Sachlichkeit entgegen. Jetzt kam ihm seine Erfahrung aus zehnjährige Tätigkeit als Stadtverordnetenvorsteher zugute und sein Verhandlungsgeschick als Mitglied der Handelskammer. Auch von den Webern kam viel Unterstützung, denn sie fühlten sich mit dem wirtschaftlichen Erfolg der Firma verknüpft und wussten, dass der technische Fortschritt ihre Zukunft sichern helfen konnte.

1861 war es dann endlich so weit, die erste mechanische Weberei startete mit einer 12 PS starken Dampfmaschine. Hier wurden ausschließlich Baumwollwebstühle aufgestellt. Eine eigene Färberei und eine Appretur Anstalt waren angegliedert, das erregte in der münsterländischen Textilbranche berechtigtes Aufsehen, denn weit und breit gab es keinen derartigen Veredelungsbetrieb für Nessel und Köper. Diese Appretur-Anstalten hatte es bislang nur in Berlin oder Frankfurt/Oder gegeben. Viele münsterländische Betriebe ließen ihre Webware jetzt in Warendorf veredeln. Nach den Jahren des Niedergangs hatte Warendorf nun wieder eine Perspektive, ihrem Namen als bedeutende Textilstadt alle Ehre zu machen.

Auch in Warendorf hatte das Industriezeitalter endlich begonnen! Das war Hermann Josef Brinkhaus und Eduard Wiemann zu verdanken. Die alteingesessenen Textilkaufleute hatten die Notwendigkeit zur Industrialisierung schon lange erkannt, aber es brauchte den Mut und die Tatkraft eines modern denkenden Unternehmers und der war mit Hermann Josef Brinkhaus durch die Heirat mit Johanna Ostermann nach Warendorf gekommen. Brinkhaus war sich sehr wohl darüber im Klaren, dass die Talsohle der textilen Strukturkrise noch nicht durchschritten war, aber er sah die großen Chancen, die die vielen tüchtigen Weber hier in der Textilstadt Warendorf boten. Die Hausweber sahen diese Entwicklung natürlich erst sehr skeptisch, denn die Mechanisierung brachte sie um Arbeit und Brot, so dachten sie. Die Wirklichkeit aber war anders. Brinkhaus und Wiemann legten großen Wert darauf, dass die Handweberei parallel weiter betrieben wurde, solange es wirtschaftlich vertretbar war.

Viele Hausweber aber hatten jetzt eine ganz neue Perspektive. Sie wurden als qualifizierten Weber in der Firma „Brinkhaus und Wiemann“ dringend gebraucht. Im weiteren Umkreis wurden durch Zeitungsanzeigen neue Arbeitskräfte angeworben.

Als die Weber merkten, dass sie in der mechanischen Weberei einen festen Arbeitsplatz mit einem auskömmlichen Lohn hatten, schwand die Angst vor der Industrialisierung. Die Weber mussten sich aller-dings damit abfinden, dass sie ihre Selbständigkeit verloren und zu Fabrikarbeitern wurden - das machte manchem stolzen Heimweber zu schaffen. Mit der Zeit konnten auch die Löhne stabilisiert wer-den. Für besonders gute Webarbeit wurden Prämien gezahlt, bei fehlerhaften Webstücken drohte aber ein Abzug.

Die Zeiten wurden allerdings sehr turbulent. Durch den Sezessions-krieg geriet die Baumwolle-Belieferung aus den USA ins Stocken. In diesen Zeiten erwies sich die Nesselappretur als verlässliches Standbein, dass vorübergehend die Löhne der Weber sicherte.

1869, am 30. September um 1.30 Uhr, traf die junge Firma an der Alten Kirche ein herber Schlag: Ein Großfeuer richtete im Vorder-gebäude großen Schaden an, vernichtete Maschinen, Webstühle, fertige und halbfertige Ware und die kostbaren Rohstoffe. Ein schauriges Schauspiel bot sich den Warendorfern, als die brennenden Baumwollstränge über die Stadt flogen und Angst und Schrecken verbreiteten, denn die Septembertrockenheit hatte schon mehrere Male zu verheerenden Stadtbränden geführt. Die tatkräftig zugreifende Feuerwehr konnte dank der nahe gelegenen Ems eine Ausdehnung des Brandes verhindern, die Fabrik aber wurde ein Raub der Flammen. Der Schaden wurde im Wesentlichen durch die Versicherung gedeckt und schon am 10. Januar 1870 wurde das neue, massiv in Steinbauweise gebaute Fabrikgebäude eingeweiht. Jetzt gab es viel mehr Platz. In dem nun dreistöckigen Firmen-gebäude befand sich ein Websaal mit erst 75, dann 90 Webstühlen. Viele Hausweber konnten jetzt in die Firma „Brinkhaus und Wiemann“ aufgenommen werden.

Als Glücksfall erwies sich, dass die Firma wenige Monate vor Ausbruch des Brandes das benachbarte Rollmannsche Haus gekauft hatte und dort ihr Kontor und Lagerräume untergebracht hatte. So blieb dieser wichtige Teil des Betriebes vom Brand verschont, die Akten blieben erhalten und auch ein Teil der Garnvorräte.

Warendorf hatte damals ca. 4.800 Einwohner und war damit die größte Stadt im Ostmünsterland und hatte eine breite Gewerbe- und Handelsstruktur. Die Firma „Brinkhaus & Wiemann“ war das größte und einzige mechanische Unternehmen dieses Raumes.

Der alte Warendorfer Bahnhof Die schlechte verkehrliche Anbindung aber war fiel sehr ungünstig ins Gewicht. Hermann Josef Brinkhaus begann schon in den 1860er Jahren damit, sich für einen Eisenbahnanschluss in Warendorf einzusetzen. Mit dem Fabrikanten Christian Rath aus Sassen-berg zusammen kämpfte er trotz vieler enttäuschender Erfahrungen in allen wich-tigen Gremien für die Bahnstrecke. Es dauerte aber noch bis 1887, ehe eine Bahnstrecke durch die junge Industriestadt verwirklicht wurde. So wurde die wirtschaftliche Entfaltung Warendorfs jahrelang gehemmt.

Die beiden Unternehmer Brinkhaus und Wiemann nutzten die gegebenen Möglichkeiten. Hermann Josef Brinkhaus war immer der innovativere Gesellschafter, er wollte die Firma erneut erweitern. Die Partner konnten sich über die künftige Weiterführung der Firma nicht einigen und so entschloss man sich 1879, getrennte Wege zu gehen. Der Warenbestand und die buchmäßigen Forderungen wurden geteilt.

Firma „Wiemann & Bispinck“

  1891 Briefkopf Wiemann und Bispinck

1888 Briefkopf Firma Wiemann & Bispinck

 

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Christoph Bispinck
Nachdem sich Eduard Wiemann und Hermann Josef Brinkhaus 1879 getrennt hatten, übernahm Wiemann die Gebäude an der Kirchstraße für 200.000 Mark und führte die Weberei mit seinem kapitalkräftigen Verwandten Christoph Bispinck aus Münster unter dem Namen „Wiemann & Bispinck“ weiter. 1888 entschied er sich aber doch für eine Erweiterung, indem er die Firma nach Westen um ein zweites Fabrik-gebäude im gleichen Stil erweiterte. 1896 brach während des Hochamtes ein Schadensfeuer aus, das beide Gebäude erfasste. Die Maschinen stürzten aus den oberen Stockwerken in die Tiefe. Das war nun schon der zweite Brand, den die junge Firma verkraften musste. Dank der guten Feuer-versicherung konnten die Gebäude schnell für die Produktion wieder hergestellt werden. Die Produktpallette wurde auf über 50 Gewebearten erweitert. 1897 übernahm Christoph Bispinck die Geschäftsführung und reichte Pläne für eine neue, größere Fabrik ein.

1898 starb Eduard Wiemann in seiner „Villa Sophia“ am Emstor. Zeitgleich verlegte Bispinck die Firma „Wiemann und Bispinck“ an die Brinkstraße. 80 Mitarbeiter produzierten hier Baumwollstoffe. Die Firma bestand bis 1966 und wurde dann von Brinkhaus übernommen.

 

 

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