Wie waren das Abitur und die Schule vor 60 Jahren?
Erinnerungen an die „Schule von gestern“
1960 - 2020: 60 Jahre Abitur am Mariengymnasium Warendorf
von Mechtild Wolff


Das alte Gebäude des Mariengymnasiums

 

60 Jahre Abitur - das ist wahrlich ein Grund zum Feiern. In all den Jahren haben wir uns regelmäßig alle 5 Jahre getroffen und uns dadurch nie aus den Augen verloren. Wie sagte unsere leider schon verstorbene Klassenkameradin Ulline so treffend: Klassentreffen sind immer schön, da braucht man keinem was vorzumachen, die kennen einen alle viel zu gut.

Über unsere gemeinsame Schulzeit haben wir schon viel geredet, viele Dönekes erzählt und unsere Lehrer kolportiert mit all ihren Stärken und Schwächen. Ich habe mir jetzt mal Gedanken gemacht über das Jahr 1951, das Jahr, in dem wir „auf die Marienschule“ kamen. Wie sah es damals in der Marienschule aus, der 2. Weltkrieg war ja erst sechs Jahre vorbei. Welche dramatischen Jahre hatte die Schule hinter sich? Für uns damals zehnjährige Schülerinnen waren die sechs Jahre Frieden eine lange Zeit und der Krieg war weit weg, obwohl er im Alltag noch allgegenwärtig war. Mir kam unser Lyzeum eigentlich ganz normal vor, alles lief geregelt und hinter die Kulissen ließ man uns nie gucken.

Aber wie hatte die Marienschule die Kriegsjahre wirklich überstanden, als die Pforten am 8. Dezember 1945 wiedereröffnet wurden? Der 8. Dezember war damals noch als das Fest „Mariä Empfängnis“ in unserem Bewusstsein verankert und wurde in der Marienschule als Patronatsfest gefeiert. Der Tag begann mit einer Messfeier in der Laurentiuskirche und danach versammelten sich alle 600 Schülerinnen im Treppenhaus der Marienschule - man kann es sich heute kaum vorstellen - um einer besinnlichen Ansprache der Direktorin zu lauschen und Marienlieder zu singen und Gedichte vorzutragen.

Diesen Tag hatten sich die Lehrer 1945 ausgesucht, um die längsten Ferien der Schulgeschichte zu beenden. Mit dem Einmarsch der amerikanischen Truppen in Warendorf zu Ostern 1945 hatte auch die Marienschule schließen müssen. Die Siegermächte wollten nicht nur die bedingungslose Kapitulation, sie wollten auch den Nationalsozialismus an der Wurzel ausrotten. Das Ziel war die Entnazifizierung. Der neue Geist der Demokratie sollte in die Schulen einziehen. Alle Lehrer mussten sich nun überprüfen lassen, ob sie unter der Herrschaft der Nationalsozialisten mehr als bloße Mitläufer gewesen waren.

Zuerst schaute man sich die langjährige Direktorin Frau Dr. Maria Moormann genau an. Sie war seit 1928 Leiterin der Marienschule und hatte dieselbe zur Oberschule ausgebaut, sodass 1941 das erste Abitur abgenommen werden konnte. In den NS-Jahren hatte sie mit weiblicher Klugheit und Beharrlichkeit das christliche Fundament der Schule gegen den braunen Ungeist verteidigt. Sie besaß sogar den Mut, mit einer jüdischen Schülerin, die nach Südafrika emigriert war, einen Briefwechsel zu führen. 1940 allerdings konnte sie nicht verhindern, dass die Marienschule in „Justus-Möser-Schule“ umbenannt wurde. Das war für sie sehr schmerzhaft, denn „Marienschule“ war nicht nur ein Name, es war ein Programm. Weil Frau Dr. Moormann sich der NS Ideologie nicht unterwerfen wollte, enthoben die Machthaber sie Ende 1944 ihres Amtes und übertrugen die Leitung der Schule dem strammen Nationalsozialisten Dr. Heinrich Donnermann. Er war der linientreue Direktor des alt ehrwürdigen Gymnasium Laurentianum, das jetzt „Brun-Warendorp-Schule“ hieß. Zu seiner ständigen Vertretung am Lyzeum ernannte der Oberpräsident die Studienrätin Anna Maria Kaesbach - irgendjemand musste ja schließlich für die tägliche  Schulleitungsarbeit vor Ort sein. Und Arbeit gab es genug, der Krieg brachte einschneidende Veränderungen. Schulgottesdienste waren ab sofort verboten, die Turnhalle wurde für Getreidelagerung beschlagnahmt, nach Angriffen auf Münster wurde eine Auffang-Stelle für bombengeschädigte Evakuierte eingerichtet - jeder Tag brachte neue Überraschungen, Einschränkungen und Schikanen seitens der Nationalsozialisten, denn eine nach wie vor religiös ausgerichtete Schule war den Nazis ein Dorn im Auge.

 

Nun aber zurück zum Neubeginn nach Kriegsende:

Den Siegermächten wurde schnell klar, dass an der untadeligen Gesinnung der Direktorin Dr. Moormann kein Zweifel bestehen konnte. Darum wurde sie unmittelbar nach Kriegsende von den Alliierten wieder als Direktorin des Lyzeums eingesetzt und damit beauftragt, wieder einen normalen Schulunterricht aufzubauen. Schnell wurde der dringlichste Wunsch der Direktorin erfüllt: Das Lyzeum bekam seinen Namen „Marienschule“ zurück, den ihr die Gründungsväter 1910 gegeben hatten.

Dr. Heinrich Donnermann bestand die Entnazifizierung nicht, wurde seines Amtes enthoben und musste den Schuldienst quittieren. Der Volksmund sagte damals: Er hat keinen Persilschein bekommen.

Bürgermeister Heinrich Temme, Schulrat Josef Pelster und die Direktorin Dr. Maria Moormann waren nun mitverantwortlich für die Entnazifizierung der Lehrer. Die Beurteilung des Kollegiums war insofern nicht schwierig, als der christliche Geist der Schule auch in der NS Zeit nicht erschüttert werden konnte und die Direktorin ihr Kollegium genau kannte und bestehende Bedenken überzeugend ausräumen konnte. Wie schwierig das manchmal war, zeigt der Fall der Musiklehrerin Margarete Ernst (1897-1977). Diese hatte 1941 auf Aufforderung der Ortsfrauenschaftsleiterin eine Musikgruppe der Ortsfrauenschaft Warendorf gegründet und geleitet. Frau Dr. Moormann konnte den Ortskommandanten davon überzeugen, dass eine Ablehnung dieses Wunsches für die junge Musiklehrerin damals unmöglich gewesen war, denn sie hatte gerade erst ihre Anstellung bekommen. Die Direktorin konnte glaubhaft versichern, dass Fräulein Ernst kein nationalsozialisti-sches Liedgut im Unterricht gesungen hatte, sondern schöne deutsche klassische und neuere Musik mit den Schülerinnen gepflegt hatte. So wurde dann auch Frl. Margret Ernst am 5.12.1945 erfolgreich entnazifiziert.

Bevor die Schule wiedereröffnet werden konnte, mussten strenge Voraussetzungen erfüllt werden: Der Geschichtsunterricht wurde vorerst untersagt. Auch der Deutschunterricht war zunächst verboten, erst mussten brauchbare Lehrbücher und Lektüren zusammengestellt werden. An neue Lesebücher war wegen der Materialknappheit gar nicht zu denken, darum wurden Lehrbücher erlaubt, die vor 1933 gedruckt worden waren. Aus dem vorgesehenen Lesebuch „Von deutscher Art, ein Lesebuch für Mädchen“ wurden alle Lesestücke herausgeschnitten, die an das Großdeutsche Reich erinnerten, wie z.B. „Bilder aus dem deutschen Danzig“, oder „Eine deutsche Familie in Russland“ oder „Das Banater Schwabenlied“.

Ende November 1945 waren dann alle Hürden genommen und den Warendorfer Gymnasien wurde als einigen der ersten in Westfalen die Genehmigung zur Wiedereröffnung erteilt. Das Lehrerkollegium setzte sich aus den altbekannten Lehrerinnen und einem einzigen Lehrer zusammen. Der Lehrer Adam Wacker (1889-1959) war schon seit 1928 an der Marienschule und war wegen seines Alters im Krieg nicht eingezogen worden.

Theo Pröpper Frl. Bracht, Frl. Kaesbach, Frl. Schütt, Frl. Kampelmann, Frl. Merkelbach, Herr Wacker

Er wurde pensioniert, als wir in der Sexta waren. Seit 1939 gab es einen zweiten Lehrer im Kollegium: Theodor Pröpper. Er kam aber erst 1946 aus der Gefangenschaft zurück. Studienrat Pröpper war ein wahrer Segen für die reine Mädchenschule, denn so konnten wir auch mal einen Lehrer erleben. Er war unser Englischlehrer und wir erinnern uns noch heute mit Vergnügen daran, dass er die Kreide nicht nur dafür benutzte, uns den AcI an der Wandtafel zu erklärte, sondern auch, um mit einem gezielten Wurf Schülerinnen aus dem Schulschlaf zu wecken. 1955 wechselte er zu unserem Bedauern zum Laurentianum herüber. Der Schule hinterließ er eine gut geführte Schulchronik, in der alle wichtigen Schulereignisse für die Nachwelt festgehalten waren.

Dann war da Frl. Schütt (1892-1954), die schon seit 1925 an der Marienschule war. Ich erinnere mich noch gut daran, dass sie 1954 in Amersfoort/Holland auf einer Klassenfahrt mit dem Fahrrad tödlich verunglückte.

       
Theresia Kampelmann  Dr. E. Hufnagel  Margarete Heese  Dr. J. Hornig 

Zu dem Kollegium aus der Gründungszeit der Schule gehörten auch Theresia Kampelmann (1890-1985), die 1948 Direktorin der Schule wurde und Maria Heukmann (1890-1969), unsere Religions-lehrerin, die schon seit 1911 an der Schule war.

Anna Maria Kaesbach unterrichtete schon seit 1934 an der Schule Mathematik, Erdkunde, Physik und Nadelarbeiten. Sie hat versucht, auch uns Mathe beizubringen, was ihr nicht bei allen gelungen ist. Dafür konnte sie umso spannender von ihren Reisen erzählen und war eine sehr weltoffene Lehrerin. Viele Jahre lang war sie eine der wenigen Frauen im Rat der Stadt Warendorf, was uns sehr imponierte.  

Seit 1943 war Frau Dr. Elisabeth Hufnagel (1896-1990) in Warendorf. Sie war vielleicht die schillerndste Persönlichkeit im Kollegium und hat auch unsere Schullaufbahn entscheidend geprägt. 1896 geboren, wurde sie 1916 zuerst Volksschullehrerin. Diese Ausbildung hatte sie noch auf dem Lehrerseminar absolviert. Das reichte ihr aber nicht, darum legte sie 1923 das Abitur ab und studierte in Münster Deutsch, Englisch und Französisch, ein recht ambitionierter Fächerkanon. 1934 sollte die junge Studienassessorin die Leitung einer nationalsozialistischen Frauenschule in Münster übernehmen. Dem Nationalsozialismus wollte sie aber nicht dienen und zog es vor, in die Volksschule zu gehen, obwohl sie eine akademische Ausbildung hatte. Ihre Tätigkeit in Everswinkel und Münster nutzte sie zur Erstellung einer Promotion mit dem Thema: „Aus der Sprache einer Familie. Ein Beitrag zur Sprachinhaltsforschung.“ 1942 wurde sie promoviert. Als 1943 die meisten münsteraner Schulen geschlossen wurden, bekam Dr. Elisabeth Hufnagel eine Stelle an der Marienschule in Warendorf, allerdings nur für ein Jahr auf Bewährung mit dem Gehalt einer Mittelschullehrerin, denn bei den Nazis stand sie immer noch auf der schwarzen Liste. Aber die Marienschule brauchte dringend Lehrkräfte, da die Anzahl der Schülerinnen wegen der vielen Evakuierten aus den bombengeschädigten Großstädten von normalerweise um die 400 auf jetzt 810 Mädchen angewachsen war. Da konnte es sich auch das NS Regime nicht erlauben, auf Frau Dr. Hufnagel zu verzichten. Als mit Kriegsende auch die Marienschule geschlossen wurde, engagierte die Militärregierung Dr. Hufnagel als Dolmetscherin. Das war für sie eine sehr spannende Erfahrung, von der sie später gern ihren Schülerinnen erzählte. Mit der Neueröffnung der Marienschule im Dezember 1945 bekam sie endlich ihre Anstellung als Studienrätin. Schon 1948 wurde sie Mentorin der neusprachlichen Referendare. Uns allen ist „Frau Dr.“ in lebhafter Erinnerung und wir könnten mit Geschichten aus ihrem amüsanten Unterricht ganze Bücher füllen. 1962 ging sie in den Ruhestand und lebte bis 1990 in Münster.

 

 
Rosa Senger  Dr. Kl. Freiburg-Rüter  Marianne Köster   

 


Eine ganz wichtige Kollegin war Frl. Rosa Senger. Sie war eine brillante Mathe-Lehrerin und zu unserer Zeit stellvertretende Schulleiterin, verantwortlich für die Finanzen und den Stundenplan und eine immer freundliche Helferin der Not.

 

Nach seiner Vertreibung aus Schlesien kam 1946 unser geistlicher Rat Dr. Josef Hornig (1900-1980) als Religionslehrer und geistlicher Berater an die Schule und ab 1948 gehörte unsere gestrenge Biologie-Lehrerin Frl. Heese zum Kollegium.

1949 kam Frau Müller-Temme, durch die wir um die Erfahrung reicher wurden, dass eine Lehrerin auch Kinder bekommen konnte. Frau Müller-Temme war eine Pionierin wider Willen, sie wollte einfach nur ihren Traumberuf als Sportlehrerin ausüben. Aber sie war verheiratet und nur weil Lehrpersonen so händeringend gesucht wurden, sah man über diesen „Makel“ geflissentlich hinweg. Allerdings musste sie sich für fünf Jahre verpflichten, was so viel hieß wie: Fünf Jahre lang keine Kinder, denn eines war ganz klar: Schule und Kinder, das war nicht vereinbar, das hatte es an der Marienschule noch nie gegeben, denn alle Lehrerinnen waren unverheiratet. Als nach sieben Jahren ihre erste Tochter geboren wurde, beglückwünschte Frau Direktorin Kampelmann die junge Mutter zwar, teilte ihr aber im gleichen Zuge mit, dass eine Bewerbung für die ihr eigentlich zustehende Studienratsstelle nicht mehr in Frage komme. Die Direktorin konnte sich nicht vorstellen, dass Frau Müller-Temme als Mutter eines Kindes im Schuldienst bleiben würde. Trotz der harten Bedingungen, Mutterschutz gab es nur 6 Wochen vor und nach der Geburt, blieb Frau Müller-Temme im Schuldienst und bekam noch zwei weitere Kinder. Pausieren oder die Stundenzahl reduzieren hätte den Verlust des Beamtenstatus zur Folge gehabt. Wie gut, dass die Großmutter mit im Haushalt lebte und für die Kinder sorgte.

Unser langjähriger Physik- und Chemie-Lehrer Walter Koch (1912-1983) kam nach Krieg und Gefangenschaft und fünf Jahren Laurentianum genau wie wir 1951 an die Marienschule und blieb bis 1961. Aus gesundheitlichen Gründen ging er dann an die Europaschule in Varese/Italien.

Und erst 1959 kam Dr. Clemens Freiburg-Rüter (1905-) mit den Fächern Deutsch, Englisch und Französisch zu uns. Noch damals war er traumatisiert von seiner Kriegs- und Gefangenschafts-Zeit, mit der er uns viele Schulstunden lang bestens unterhielt.

Ja, und nicht zu vergessen unsere Oberstufen-Klassenlehrerin Marianne Köster. Als sie 1956 als neue Direktorin an unsere Schule kam, mussten wir uns von der unnachgiebig strengen, immer korrekten und eleganten Erscheinung der Direktorin Kampelmann auf eine kleine, unscheinbare Direktorin Köster umgewöhnen, die aus dem Ruhrgebiet, aus Datteln, kam und einen eher direkten Umgang pflegte. Anfänglich fanden wir das sehr erfrischend, zumal sie in ihrer Einführungsrede unsere Herzen gewonnen hatte, als sie die Schülerinnen der Frauenoberschule als gleichwertig neben die Lateinschülerinnen stellte. Dieser Geist war neu an der Marienschule und gefiel uns natürlich sehr. Ihre wirklichen Stärken hatte sie aber wohl nicht in der Prägung der Schülerinnen, sondern in ihrer Zähigkeit, mit der sie einen Schulneubau für die Marienschule forderte, den die Stadt Warendorf wegen der großen finanziellen Belastung zu vermeiden versuchte. Die Grundsteinlegung an der Von-Ketteler-Straße haben wir noch miterlebt und Heidrun durfte mit einem Gedicht brillieren. Zu Ostern 1961 wurde der Neubau eingeweiht, unser Abitur war das zweitletzte im alten Marienschulgebäude an der Kurzen Kesselstraße. Dieser Neubau war wahrlich kein Luxus, die alte Marienschule war viel zu klein geworden. Wir haben unsere letzten Schuljahre in einem winzigen Klassenraum auf dem Dachboden zugebracht, direkt neben dem Kartenzimmer. Die wackelige Holztreppe dürfte heute nicht einmal mehr von einer Maus benutzt werden. Aber wir haben uns da oben sehr wohl gefühlt - weit vom Schuss, das hatte entscheidende Vorteile.

 

Nun aber wieder zurück zum 8. Dezember 1945:

Als alle Lehrer sich schriftlich verpflichtet hatten, „keine nationalsozialistischen und militärischen Gedanken zu lehren“, konnte die feierliche Wiedereröffnung der beiden Gymnasien im alten Sparenbergschen Kino an der Freckenhorsterstraße  stattfinden. Das Laurentianum bestritt die Orchesterstücke und die Marienschülerinnen sangen im Chor. Die Einladung hatte die Besatzungsmacht in Englisch auf ein DinA4 Blatt getippt, der Bürgermeister und die Schuldirektoren hielten bewegende Reden.

Der Unterricht hatte schon am 3. Dezember begonnen, der Schulbeginn mit einer Messe in der Alten Pfarrkirche war in den Straßen der Stadt durch den städtischen Ausrufer „ausgerufen“ worden. Nun war aber das Marienschulgebäude noch von den Alliierten besetzt, darum mussten die Schülerinnen noch bis August 1946 in die Kardinal-von-Galen-Schule an der Klosterstraße. Da herrschte natürlich drangvolle Enge, sodass in Schichten unterrichtet wurde und für die Unter- und Mittelstufe konnte nur an 2-3 Tagen in der Woche Unterricht erteilt werden. Da es nicht genügend Sitzgelegenheiten gab, mussten sich die Schülerinnen ihren eigenen Stuhl mitbringen. Viele andere Gebäude und Keller in der Stadt waren mit Behelfs-Klassenräumen belegt. Akten und Schulunterlagen gab es fast keine, das war alles entweder von der Besatzungsmacht verheizt worden oder von den Insassen der Russen- und Polenlager gestohlen oder verheizt worden. Auch die physikalischen, chemischen und biologischen Sammlungen sowie das Kartenmaterial waren verschwunden.

Mit viel Idealismus wurde nun jede Möglichkeit für Unterricht genutzt. Die Weihnachtsferien endeten schon am 28. Dezember und die Osterferien wurden auf sieben Tage gekürzt. Die Lehrer trugen die äußere Not des Schulalltages mit Gelassenheit in der Hoffnung auf bessere Zeiten. Das Wichtigste war, dass die geistige Not ein Ende hatte. Trotz all der Einschränkungen hielt man an den alten Traditionen fest. Auch das jährliche, oft recht anspruchsvolle Theaterstück für die Abiturientinnen übten die Unterprimanerinnen wieder ein und führten es unter großem Jubel im Kolpinghaus auf. Auf Zucht und Ordnung wurde unverändert streng geachtet. So wurden zwei Schülerinnen 1947 mit der Androhung der Verweisung von der höheren Schule bestraft, weil sie am 6. Dezember als Nikolaus und Knecht Ruprecht verkleidet Schabernack in zwei Klassen getrieben hatten.

Noch bis 1953 gab es dreimal im Jahr Zeugnisse, zu den  Sommerferien, zu Weihnachten und zu Ostern.

Ja, auch die Nachkriegsjahre waren eine riesige Kraftanstrengung und weil sie so mutig bewältigt wurde, fanden wir 1951 eine ganz normale Schule vor und ich kann mich nicht erinnern, dass jemals über all diese Schwierigkeiten gesprochen wurde. Aber vielleicht hätten wir auch gar nicht zugehört, genau so wenig, wie wir Dr. Freiburg-Rüters Kriegserzählungen einordnen konnten. Wir waren eben ganz normale Schülerinnen, bei denen das Lernen nicht immer oberste Priorität hatte. Aber stolz waren wir, als wir zu Ostern 1960 das Abiturzeugnis in den Händen hielten. Und wie haben wir uns gesonnt, als wir uns nach der mündlichen Abiturprüfung, die so manche Überraschung gebracht hatten, im Treppenhaus aufstellen durften und von Geschwistern und Freunden bejubelt wurden.

 

 
unsere mündliche Abitur-Prüfungsgruppe 1960 

 

Mechtild Wolff 2020

 

 

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